Seiteninhalt

„Wieder zur Schule zu gehen war ein tolles Gefühl“

Leuchtturm
Leuchtturm






Mit dem Abitur am Greifswalder Abendgymnasium verwirklicht sich der 23-jährige Sascha Pollin seinen großen Traum

Sascha Pollin steht kurz vor der Erfüllung seines größten Traumes, das Abitur zu machen. Der 23-jährige Stralsunder besucht seit zwei Jahren das Abendgymnasium „Wolfgang Koeppen“ in Greifswald. Er ist in der 13. Klasse. Immer abends fünf Tage die Woche kommt er mit dem Zug von Stralsund nach Greifswald.
 
„Wieder in der Schule zu sein war für mich einfach nur ein unbeschreiblich tolles Gefühl. Bevor ich mit dem Abendgymnasium anfing, hatte ich einige Jahre im Schichtdienst als Fertigungsmechaniker gearbeitet. Ich war in einem Beruf tätig, auf den ich überhaupt keine Lust hatte. Macht man etwas, was einem nicht zusagt, ist es unglaublich schwer und wird immer schwerer. Als ich das erste Mal zum Abendgymnasium kam, wusste ich gleich, dass ich hier richtig bin“, so Sascha Pollin. Jeden Tag von 16.45 Uhr bis 21.35 Uhr sitzt er in der Schulbank und büffelt Deutsch, Mathe, Englisch, Französisch, Geschichte und die naturwissenschaftlichen Fächer. Und es macht ihm irre viel Spaß. Schon nach dem ersten Semester sah sein Zeugnis besser aus als sein Abgangszeugnis der 10. Klasse. Der Grund: In seiner Einstellung zur Schule und zum Beruf war während seiner Berufstätigkeit als Fertigungsmechaniker einiges in Bewegung geraten. Sichtweisen hatten sich geändert. Die Mittlere Reife an einer Realschulschule in Stralsund hatte Sascha Pollin mit einem durchschnittlichen Dreier-Ergebnis abgeschlossen.
„Zurückblickend habe ich damals in der Zehnten nicht wirklich gewusst, was ich wollte. Etwas Handwerkliches, ja vielleicht. Doch als ich dann mit der Berufsausbildung zum Fertigungsmechaniker in Stralsund begann, merkte ich ziemlich schnell schon in der dritten Woche, dass eine handwerkliche Tätigkeit überhaupt nicht meins ist“, sagt Sascha Pollin. Doch er zog die Lehre durch. Eine abgebrochene Lehre, so dachte er sich, mache sich nicht so gut im Lebenslauf.
 
Mit dem Facharbeiterbrief in der Tasche war dann aber auch sofort mit dem Fertigungsmechaniker Schluss. Nach der Lehre absolvierte er ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Präventionsarbeit beim Stralsunder Verein „Chamäleon“. Wie er sagt, habe er Zeit gebraucht, um für sich selbst eine Orientierung zu finden, wie es weiter gehen sollte. Das war 2009. „Dachte ich über meine Zukunft nach, gelangte ich immer wieder dazu, dass ein Abitur nicht schlecht wäre“, erinnert sich Sascha Pollin.
Aber wie und wo zum Abitur? Zunächst einmal versuchte er es bei verschiedenen Fachgymnasien in Stralsund, Greifswald und Rostock und erntete nur Absagen. Sein 10. Klasse Zeugnis war zu schlecht. Bei der Volkshochschule hätte er zur Erlangung der Hochschulreife 3000 Euro bezahlen müssen. Geld, das er nicht hatte. Der Traum vom Abitur begann für Sascha Pollin zu schwinden. Er war ob dessen am Boden zerstört. In letzter Minute kam die Rettung mit dem Greifswalder Abendgymnasium. Im Internet hatte er gesurft unter dem Stichwort: „Abitur in MV nachholen“ und las, dass man ein kostenfreies Abitur am Abendgymnasium in Greifswald machen kann. „Ich rief sofort an. Noch am Telefon bin ich mit der Schulleiterin die Zulassungsvoraussetzungen durchgegangen, die ich alle hatte“, so Sascha Pollin. Er bewarb sich und erhielt nur eine Woche später die Zusage, denn der Abschluss der 10. Klasse interessiert beim Abendgymnasium nicht. Allein der Realschulabschluss ist wichtig. Die Welt war damit für Sascha Pollin gerettet.
 
Mit der Entscheidung für das Abendgymnasium fühlt er sich angekommen. „Mittlerweile bin ich froh, dass es mit den Fachgymnasien nicht geklappt hat. Dadurch hatte ich die Chance, hierher zu kommen. Wobei das Gute hier wirklich ist, dass ich als erwachsener Schüler mit meinen Problemen drum herum in puncto Arbeit und Geldverdienen von den Lehrern ernst genommen und akzeptiert werde. Sie haben Verständnis für mich, wobei ich mit ihnen konstruktiv, ganz anders als früher als jugendlicher Schüler, reden kann. Am Abendgymnasium ist man mit den Lehrern als Schüler ein Stück weit auf Augenhöhe“, sagt er.
 
Sascha Pollin hat sich gegen einen Umzug von Stralsund nach Greifswald entschieden. Für die Bahn bezahlt er 750 Euro im Jahr. Er hat eine Jahresfahrkarte. Neben der Abendschule arbeitet er den Tag über als freier Mitarbeiter in der Lokalredaktion Stralsund der Ostsee-Zeitung. Schon während seines Freiwilligen Sozialen Jahres hat er dort nebenher gejobbt. Die Tätigkeit bei der OZ lässt sich gut mit dem Abendgymnasium vereinbaren. Wobei er sich überlegt hat, nach dem Abitur oder der Erlangung der Fachhochschulreife in Richtung Journalismus zu studieren und weiter zu gehen. Ein Journalistikstudium an der Leipziger Universität fände er total super. Aber auch ein Geschichtsstudium in Kombination mit politischer Bildung kann sich Sascha Pollin gut vorstellen.
Sascha Pollin: „Wobei ganz klar wieder zur Schule zu gehen auch eine große Umstellung ist. Das darf man nicht vergessen. Man muss viele Abstriche in der Freizeit, in der Arbeit und auch bei den Finanzen machen. Man muss wirklich viel lernen und hat wieder jede Menge Schulstress. Mal so nebenbei das Abitur machen, das funktioniert nicht. Das sollte sich jeder genau im Vorfeld überlegen, ob er das, sozusagen als Nebenwirkungen, auch wirklich möchte und bereit ist, das alles allein für ein Abitur in Kauf zu nehmen.“ Sascha Pollin nimmt all das gern in Kauf. Mit der Entscheidung für das Abendgymnasium sei, wie er sagt, seine Verzweiflung total weg.
 
Täglich schaut Sascha Pollin auf die Internetseite seines Abendgymnasiums, um sich über eventuelle Vertretungen in seinem Stundenplan und andere aktuelle Dinge zu informieren. Toppaktuell steht da alles, was jeder für den jeweiligen Tag wissen muss. Gerade für auswärtige Schüler wie ihn enorm wichtig.

zurück

 

RUEM_fuss_logo2
RUEM_fuss_logo2