Dass in vielen so genannten Frauenberufen weniger bezahlt wird, ist für junge Männer oft ein Grund, sich nicht für Erzieher- oder Pflegeberufe zu entscheiden - obwohl etliche gern als Kindergärtner, Verkäufer oder Altenpfleger tätig wären. „Bei Frauen wird es dagegen als selbstverständlich hingenommen, dass sie weniger Geld als Männer verdienen. Dass viele von ihnen alleinerziehend und damit der Alleinverdiener sind, spielt in der Diskussion bezüglich Frauen keine Rolle. Bei Männern ist es aber ein gewichtiges Argument dagegen. Warum machen wir solche Unterschiede und diskriminieren nach wie vor Frauen? Nur weil sie Frauen sind? Diese Ungleichbehandlung wird uns auf die Füße fallen“, so Katrin Köppen, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Vorpommern-Rügen.
Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen liegt in Deutschland bei der Ausübung gleicher oder gleichwertiger Arbeit aktuell bei 22 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern bis zu sieben Prozent. Auswirkungen hat das auch auf die Rente, die bei vielen Frauen dadurch im Schnitt um 60 Prozent geringer ist. Altersarmut ist bei ihnen damit vorprogrammiert.
Weitere Argumente dafür, dass sich Männer gegen soziale Berufe entscheiden, sind geringe Aufstiegschancen und das Vorurteil, dass diese Berufe nicht männlich genug seien und dadurch die gesellschaftliche Anerkennung fehlt. Pflege und Fürsorge sind Frauensache, Technik und Maschinen was für harte Männer. Und so spielen vermeintlich überkommene alte Rollenbilder auch im 21. Jahrhundert immer noch eine große Rolle bei der Berufswahl. Katrin Köppen kann darüber nur den Kopf schütteln. „Für Kinder ist es beispielsweise total wichtig, dass sie auch männliche Bezugspersonen als Vorbilder haben, um bestimmte Kompetenzen zu entwickeln. Zumal in vielen Familien der männliche Part fehlt, die Anzahl der alleinerziehenden Frauen zunimmt. Und auch fürs Kita-Team selbst sind Männer wichtig. Das haben mir viele Einrichtungen in Vorpommern-Rügen bestätigt“, sagt Katrin Köppen, die seit drei Jahren für den Landkreis als Gleichstellungsbeauftragte arbeitet.
Um Jungen frühzeitig zu zeigen wie cool soziale Berufe sind, gibt es in MV den JungsTag. In Vorpommern-Rügen locken tolle Angebote. Die Resonanz ist aber eher verhalten. 2012 haben sich offiziell nur zwei Jungen dafür angemeldet. Bei den Mädchen mit dem GirlsDay sieht es hingegen wesentlich besser aus. 50 Veranstaltungen mit 395 Plätzen wurden in Vorpommern-Rügen 2013 angeboten. Bei 36 Veranstaltungen gab es keinen freien Platz mehr. Teilweise waren mehr Mädchen da, als es Plätze gab. Nur vier Veranstaltungen wurden nicht genutzt.
Katrin Köppen: „Das Interesse für technische wissenschaftliche Berufe ist also da. Meist haben Mädchen auch die besseren Schulabschlüsse. Geht es dann aber konkret um die Berufswahl, haben viele den Tunnelblick. Ich denke, die Beeinflussung vom gesellschaftlichen Umfeld ist groß. Auch beobachte ich eine gewisse Hemmschwelle vor technischen Berufen.“ In der Regel interessieren sich Frauen nur für zehn der insgesamt 365 Ausbildungsberufe. Warum sich die Mädchen so vielfältige berufliche Zukunftschancen vergeben, sei für sie unverständlich.
Um junge Frauen in puncto Beruf und Karriere selbstsicherer zu machen, bietet die Fachhochschule Stralsund einen eigenen Bachelorstudiengang Wirtschaftsingenieur für Frauen an. Doch ein Studiengang macht noch keinen Sommer. Als positives Signal sieht Katrin Köppen die Berufsorientierungsrichtlinie des Landes, in der GirlsDay und JungsTag verankert sind. In den Schulen im Landkreis, so ihre Feststellung, ist geschlechterspezifische Berufsorientierung bisher jedoch zu wenig ein Thema. Auch Schülerbefragungen haben dies gezeigt. Dabei sei das mit einfachen Mitteln umsetzbar, sagt Katrin Köppen und verweist auf die Veranstaltung „Berufswahl hat ein Geschlecht?“ des Regionalen Übergangsmanagement Vorpommern-Rügens (RÜM) am 23. Mai im neuen Medien- und Informationszentrum in Bergen auf Rügen. „Alle, Schulen und Unternehmen müssen gerade auch vor dem Hintergrund des Nachwuchs- und Fachkräftemangelns endlich umdenken. Kfz-Mechanikerin und Wasserbauingenieurin sollten Normalität sein", so die Gleichstellungsbeauftragte.
Weitere Informationen zu „Berufswahl hat ein Geschlecht?“ gibt es unter www.lk-vr.de/ruem.
Quelle: Landkreis Vorpommern-Rügen