Geschichte und Geschichten aus der Projektregion
Was hatte es mit der geplanten Sprengung der Kirche Pantlitz auf sich?
Es ranken sich Geschichten um die Kirche in Pantlitz. Man erzählt sich, die eigentlich schon fest beschlossene Sprengung wäre gescheitert, weil das Sprengkommando zum falschen Ort - nämlich nach Pantelitz bei Stralsund - gefahren wäre.
Dazu haben wir einen Zeitzeugen befragt:
"Am 26. Februar 1972 beschloss der Gemeindekirchenrat Ahrenshagen-Pantlitz (10 Personen, verstärkt in der Beratung durch den aus 15 weiteren Personen bestehenden Gemeindebeirat) auf Vorschlag des Konsistoriums nach etwa einjähriger Beratungen und Gesprächen die Kirche in Pantlitz aufzugeben.
Zu den Erörterungen vor dem Beschluss vom Februar 1972 gehörte auch die Frage, was mit dem dann nicht mehr genutzten Gebäude geschehen soll. Die Bauabteilung des Konsistoriums schlug einen Abriss durch Sprengung vor und bat einen Sprengmeister einer Firma aus Halle / Saale zu einer Besprechung vor Ort. Zum vereinbarten Termin versammelten sich in Pantlitz Mitglieder des Gemeindekirchenrates, Vertreter des Konsistoriums, wahrscheinlich auch Vertreter des Kirchenkreises. Wer nicht erschien war der Sprengmeister. Nach längerer Wartezeit kam in der Runde der Verdacht auf, dass der Sprengmeister vielleicht in den falschen Ort gefahren sei, nicht nach Pantlitz bei Damgarten, sondern nach Pantelitz bei Stralsund. Bei den wenigen Telefonanschlüssen in der DDR kam eigentlich nur ein Anruf in der Raststätte in Pantelitz in Frage. Man rief also von der Pantlitzer Poststelle aus dort an und die Wirtin bestätigte, dass dort ein Mann warte. So kam der Sprengmeister nach einer knappen Stunde, wenn auch reichlich verspätet, zur richtigen Kirche. Seine Grundaussage war, dass er keine Schwierigkeiten sehe, das Gebäude zu sprengen. Die Sprengung koste etwa 50.000 Mark. Den Schutthaufen müsste die Kirchengemeinde allerdings selbst wegräumen, das sei in dem von ihm genannten Betrag nicht enthalten. Diese Besprechung fand am 12.05.1971 statt. Die kirchlichen Gremien hatten sich also über ein Jahr Zeit für Beratungen bis zu einem endgültigen Beschluss gelassen. Bald nach diesem Beschluss hieß es dann aus der Kirchenleitung und aus dem Konsistorium (Finanzabteilung), dass aus finanziellen Gründen keine Sprengung erfolgen könne. Das Gebäude sollte stattdessen abgesperrt und das wertvolle Inventar geborgen werden. Das ist dann im Laufe der Zeit geschehen. Da der Kirchhof weiter als Begräbnisplatz genutzt wurde und wird und mit der kommunalen Gemeinde keine Einigung über den Bau einer Leichen-/Trauerhalle neben dem Kirchhof zu erzielen war, wurde gestattet, dass die Kirche für Trauerfeiern, allerdings auf eigene Gefahr der Hinterbliebenen, weiterhin genutzt werden kann. So ist es geblieben bis in den Anfang der 90er Jahre.
Eine kleine Hoffnung für den Erhalt des Kirchengebäudes gab es 1987/88. Bei der Generalkirchenvisitation kam u. a. von Bischof Gienke der Vorschlag zu erkunden, ob nicht die Wirtschafsbetriebe, also die beiden Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften von Ahrenshagen und Daskow, bereit wären, in das Gebäude in kultureller Verantwortung und für die eigene kulturelle Nutzung zu investieren. Die ersten Gespräche mit den beiden Vorsitzenden fanden dort offene Ohren. Kaum ein Echo kam von der kommunalen Gemeinde (Daskow). Durch die Erkrankungen zweier Gesprächspartner lag die weitere Verfolgung des Projektes allerdings auf Eis. Die Ereignisse des Jahres 1989 mit der darauf 1990 folgenden Wiedervereinigung Deutschlands haben schließlich neue Möglichkeiten eröffnet."
Anmerkungen: Betont werden muss aber auch, dass der Gemeindekirchenrat 1972 zwar die Aufgabe des Kirchengebäudes beschlossen hatte, Gottesdienste jedoch trotzdem regelmäßig stattfanden. Zunächst zweimal im Monat, später – als der Pfarrbereich um Tribohm erweitert wurde – einmal monatlich. So ist es bis 1990 geblieben.
Alle anderen heute hier und dort zu hörenden und zu lesenden Geschichten über den Erhalt des Kirchengebäudes in Pantlitz zu DDR Zeiten entbehren der Wahrheit, sind Legenden, sind Läuschen!
- von Michael Reimer, Pastor i. R. -
Nichtsdestotrotz ist die Kirche heute ein Beispiel für bürgerliches Engagement. 2005 konnten die beiden Patronatsanbauten mit Hilfe von EU-Fördermitteln wieder instand gesetzt werden. Küche, sanitäre Einrichtung und ein sehr schöner Besprechungsraum ermöglichen heute die touristische Nutzung. Die Kirche ist seit Pfingsten 2006 "Radfahrerkirche", die erste in Mecklenburg-Vorpommern, touristischer Stützpunkt für Radwanderer auf dem Vinetaweg, einem Verbindungsweg zwischen den Europawanderwegen E9 und E10, die von St. Petersburg bis nach Gibraltar führen.
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